Ein erschütternder Bericht 

Meine ganz persönlichen Eindrücke von Ägypten

 

 

Samstag, 13. Juli 2002

Ägyptisches Museum in Kairo

Wir heben um 10.15 h in Sharm el Sheikh ab und fliegen nach Kairo.

Bereits schon nach einer knappen dreiviertel Stunde landen wir in Kairo, wo uns “ Momo ” (mit richtigem Namen Mohammed Yahia) der Reiseagenturleiter erwartet und uns in einer guten halben Stunde

sich voll unseren Interessen widmen.

Natürlich hat dies auch seinen Preis. Aber die Pauschale von rund 2000 £ (ca. 600 Euro) für drei Tage, inclusive aller Fahrten (mit Privatchauffeur), persönlicher Begleitung, Eintritte, Mittagessen fand ich denn doch recht angemessen und gerechtfertigt. Dass dem tatsächlich so war, sollten wir dann später noch zur Genüge erfahren.

Momo stellt uns eine bezaubernde Dame vor, die uns während dieser Zeit begleiten würde. Es ist eine moslemische Ägypterin, fachlich sehr bewandert und mit einem soliden Wissen aufgrund ihrer Universitäts-Ausbildung, verheiratet und Mutter von 3 Kindern. Sie heisst Dalia Rashwan, stammt aus Kairo und ist eine sehr nette Person. Das lustigste war noch, im Verlaufe unserer gemeinsamen Besuche und Gespräche stellten wir fest, dass sie am gleichen Tag wie ich Geburtstag hat.

Dalia verfügt über eine immenses und fundiertes Wissen über die ägyptische Kultur von damals und heute.

Nun denn, als erstes stand uns der Besuch des Ägyptischen Museums vor. Dalia besorgte die Eintrittskarten. Wie mir bereits schon bekannt war, drängten unzählige Menschen dem Eingang zu, der wie immer sehr streng bewacht wurde und durch mehrere Kontrollen führte. Alle Taschen und Gepäcksstücke wurden peinlichst genau durchsucht und erst nach der Feststellung, dass man “ clean ” war, konnte man hinein.

Unsere Reisebegleiterin verfing sich nun in eine wahre Flut von Informationen, dozierte und versuchte uns die damalige ägyptische Kultur beizubringen. Mehrmals musste ich sie dann wieder in die heutige Zeit zurückholen und ihr klar machen, dass wir doch schon einige Kenntnisse hätten.

Wir beschränkten uns also auf die Besichtigung markanter Gegenstände im gesamten Museum und dann speziell auf den Saal der 4. Dynastie und natürlich der 18. Dynastie mit der riesigen Anzahl Beigaben aus dem Grab Tutenchamuns.

Hinzu kam noch, dass aufgrund der Jahreszeit und der immensen Mengen Leute, die sich im Museum bewegten, eine schwüle und feuchte Hitze herrschte, die fast unerträglich schien.

Ich konnte mich einfach nicht des Eindrucks erwehren, dass auch die Zeit in diesem Museum still gestanden ist. Nicht die geringsten Massnahmen werden unternommen, etwas gegen den weiteren Zerfall dieser kostbaren Kulturgüter zu tun. Lächerlich finde ich es bloss, dass vermutlich das am wenigsten Schädliche zu unterbinden, das Fotographieren weiterhin verboten ist. Dabei gäbe es doch viele andere Prioritäten zu setzten, damit diese Funde und Kostbarkeiten der Nachwelt erhalten blieben: Gerade Dalia wies uns auf einige Gegenstände hin, die zusehends Jahr für Jahr weiter verfallen und sich allmählich auflösten. So zB. eine kleiner Windfächer aus Pfauenfedern, der unter Glas liegt und der sich mehr und mehr in seine einzelnen Bestandteile auflöst, sich so quasi zersetzt. So könnte zB. ein Klimatisieren des gesamten Museums, der Schutz vor den Berührungen mittels Absperrungen und Glasschränke, bessere Beaufsichtigungen in den verschiedenen Sälen durch Fachpersonal usw. die dann zugleich fachspezifische Auskunft geben kann, vieles dazu beitragen, diese reichhaltigen Überlieferungen der Nachwelt zu erhalten. Aber es hat sich seit meinem letzten Besuch überhaupt nichts geändert, im Gegenteil, ich habe fast den Eindruck, die ganze Anlage steuert mehr und mehr seinem “ zweiten ” Untergang zu. Obschon ich da beim Betrachten der riesigen Fülle vom "Nachlass" der Pharaonen so meine eigenen Gedankengänge habe und zum Teil auch Zweifel an der offiziellen Interpretationen hege, es wäre doch ein riesiger Verlust für die Menschheit, wenn es denn tatsächlich passieren würde.

Dabei finde ich die Sicherheitsmassnahmen vor und beim Eingang des Museums, wo man ganzen Heerscharen von “Pseudo-Polizei und -Soldaten ” begegnet, geradezu lächerlich, ja sogar provokativ. Wenn kein Mensch an irgendetwas Schlechtes denkt, spätestens beim Kontakt mit so vielen Sicherheitsvorkehrungen, die ja in Wirklichkeit auch keine sind, kann man sich ja direkt in Versuchung geführt fühlen, mal auszuprobieren, ob sie denn auch effizient und wirksam sind. Nun ja, in Ägypten ist ja Personal und vor allem deren Kosten kein Problem und so fährt man mit den gleichen Gewohnheiten weiter, die leider notgedrungen vor einigen Jahren eingeführt wurden, ob sie jedoch heute noch in dieser Form notwendig und vor allem effizient sind, darüber hat sich vermutlich kein Beamter und vermutlich die Regierung selbst keine Gedanken mehr gemacht. Wohlweislich wird muss immer der Tourismus herhalten, wenn wieder mal was speziell geschützt werden muss oder wenn irgendwas vor dem Zerfall gerettet werden muss. Natürlich ist es immer ein Leichtes, ein solches Alibi herbeizuziehen.

Aber ich persönlich bin der Meinung, dass Vieles vor dem kommerziellen Denken und Verhalten der Ägypter selbst geschützt werden muss, ob es nun die Wirtschaft oder die Regierung selbst ist, steht hier in Frage. Sicher kennt man hier auch die gleichen Probleme wie im Westen und vermutlich trägt eine gewisse Korruption bis hinauf in höchste Regierungsstellen das Seinige dazu bei. Gerade das Verhalten vieler Wärter und uniformierter Beamter (die ja prinzipiell Staatsangestellte sind), beweist uns ja immer wieder ihre Korruptheit mit ihrem "Bakshisch-Gebettel". Würde die Regierung selbst alles ein wenige professioneller und sachgemässer organisieren, würde sich solches Gehabe erübrigen. Gerade mit angemessenem Trinkgeld ist ja wirklich fast alles zu haben.

Nun denn, dies kann man auch überall und vielerorts in Ägypten beobachten, offensichtlich, Beweise habe ich mit eigenen Augen während dieses Aufenthalts beobachtet. Doch mehr dazu später.

 

Sonntag, 14. Juli 2002

Cheops-Pyramide

Heute steht eine reichbefrachtete Tour auf dem Programm. Wir treffen uns um 7.45h mit Dalia an der Hotel-Rezeption, und von da aus geht’s hinauf zum Gizehplateau. Wir gewöhnen uns schon daran, dass sie Eintritte und Billette besorgt, die sie uns dann auch aushändigt. Schon bei der Fahrt hinauf zu unserem Ausgangspunkt, direkt neben dem ominösen Ausgabenschalter für die Pyramiden-Billette muss ich wiederum feststellen : Nichts, aber auch gar nichts hat sich seit meinem letzten Besuch geändert. Alles beim alten, schäbige Hütten für die Wachposten, beinahe am Zerfallen, Dutzende von uniformierten "Sicherheitsleuten", hektisches Treiben zwischen Ihnen, den Händlern und den Kameltreibern, Schmutz und Unordnung, wohin das Auge reicht.

Da es kurz nach acht Uhr morgens ist, befinden sich noch relativ wenige Touristen hier oben. Jedoch wie seit langem schon patroullieren bereits sehr viele Sicherheits- und Kontrollpersonen herum, in Bezug zu den Touristen sind sie beinahe in der Überzahl. Ob sie jedoch in einem Ernstfall für Ordnung und unsere Sicherheit garantieren können, wage ich heute wie damals zu bezweifeln. Insgeheim spiele ich mit dem Gedanken: ”Wie vieles andere hier in Ägypten ist auch dies nur Fassade und Schein einerseits, andererseits, so hoffe ich , trägt es doch dazu bei, dass hier überhaupt keiner auf “ dumme Gedanken ” kommt. Als ich diese meine Gedanken Dalia mitteilte, muss sie mir das sogar bestätigen, ihre einzige Antwort jedoch darauf ist ein verzweifeltes Achselschütteln. Ich meinte sogar, ein leichtes Verzweifeln aus Ihren Augen herauslesen zu können. Sie tat mir beinahe leid.

Nach einer kurzen Erklärung von Dalia und aufgrund meiner Intervention und der Ungeduld meiner Kinder begeben wir uns in Richtung Eingang der grossen Pyramide. Mindestens ein halbes Dutzend “ Pyramidenwächter ” empfangen uns am Eingang und kontrollieren Billette, Handtaschen und wer weiss was noch. Kugelschreiber tun hier schon die ersten wertvollen Dienste.

Ohne Dalia, die draussen im Schatten der Pyramide auf uns wartet, gehen wir gemeinsam den herausgeschlagenen Gang hinein in Richtung Aufgang, den ich ironischerweise “ Hühnerleiter ” nenne. Auch hier wiederum muss ich feststellen, alles beim Alten, nur zum Vergleich von vor 3 Jahren nur noch ein bisschen schmutziger und verwahrloster. Der absteigende Schacht ist wie gewohnt mit einer Gittertür verriegelt. Rechter Hand befindet sich eine Art Kehrichteimer in Gitterform, der beinahe überquoll von Kehricht. Penetranter riechender Abfall und Uringeruch steigt uns in die Nase. Wir gelangen zum Eingang in die grosse Galerie und enttäuscht muss ich feststellen, dass auch der Zugang zur “ Königinnenkammer ” mit einem Gittertor versperrt ist. Ich bin enttäuscht, denn gerade diese Kammer hätte mich noch vielmehr interessiert. Ich fand sie damals schon viel mysteriöser als die sog. Königskammer. Dies jedoch nicht nur wegen der ominösen "Luftschächte", sondern speziell auch für die recht eigenartige Nische, die sich dort rechter Hand vom Eingang befindet. Nun ja, die offizielle Archäologie hat dafür sicher eine plausible Erklärung, mich jedoch kann man davon nicht überzeugen.

Es kommen uns schon die ersten japanischen Touristen entgegen, die sich bereits auf dem Rückweg befanden.

Wir steigen nun die Grosse Galerie hoch und sind natürlich beeindruckt von den unvorstellbaren Ausmassen, die sich hier im Innern dieses Bauwerkes befinden. Ausserordentlich störend jedoch empfinden wir immer wieder den penetranten Uringestank hier drinnen, der sich in der Grossen Galerie noch verstärkt. Auch der sehr schmutzige Zustand der Galerie ist offensichtlich. Eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit trägt noch das Seinige dazu bei, dass wir das weitere Hochsteigen in der Galerie eigentlich als sehr unangenehm empfinden. So empfand ich es damals vor knapp drei Jahren nicht. Es scheint beinah so, dass hier mal wieder eine gründliche Reinigung vorgenommen werden sollte. Trotzdem gehen wir weiter und gelangen an die Schleusen, die in die “ Königskammer ” führen. Auch hier wiederum steht ein improvisierter Kehrichtkübel, der beinahe von Abfall überquoll. Meine lieben Ägypter, mein lieber Hawass, und das am Sonntagmorgen um halb neun ! Eine Schande für das Land und eine Ohrfeige an die Pharaonen selig. Ich bin zutiefst betroffen , ja sogar schockiert.

Und solch einen weiteren Schock erlebe ich, als wir uns dann endlich in der grossen Kammer befinden. Mein lieber Gott, was habt ihr Ägypter daraus gemacht ? "Nichts" wäre noch das weit weniger Schlimmste, das diesem Bauwerk angetan werden könnte. Aber nein, regelrecht vergewaltigt hat man es. Um Licht in der Kammer zu installieren, müssen elektrische Leitungen gezogen werden, Befestigungen für Lampen angebracht werden. Einverstanden. Aber verflixt noch mal, sind denn die Ägypter des Jahres 2002 mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie nicht fähig, anständige Löcher in Granit zu bohren. Für ein kleines Loch von sage und schreibe gerade mal fingerdickem Durchmesser zu bohren werden die Wände der Kammer beinahe Kubik meterweise beschädigt. Ich bin schockiert, beinahe steigen mir die Tränen in die Augen und trotz grosser Hitze im Innern erfasst mich ein leichter Schüttelfrost. Eine Schande, was da vor sich geht. Und Herrgott nochmal, für was braucht es denn eine Überwachungskamera in dieser Kammer, die auch so super laienhaft angebracht wurde? Ist das das Werk von Spezialisten? Unter der Leitung einer Persönlichkeit wie zB. dem Verantwortlichen der Altertümer auf dem Gizehplateau ? Nun ja, so sagt man sich halt, wenn sich sonst nichts mehr tut auf Gizeh, dann wenigstens jedes Jahr ein- oder zweimal die Werbetrommel rühren. Ob es nun “ Enten” in die Massenmedien sind, sei dahingestellt. Aber wenigstens kommen doch noch Touristen, um sich das letzte der sieben Weltwunder anzusehen. Sicher aber ist eines : Am Zustand und am langsamen Zerfall der pharaonischer Architektur sind niemals die Touristen schuld, das können Touristen nie bewerkstelligen, das ist unmöglich, denn : Ich kann mir nicht vorstellen, das Touristen mit Vorschlaghammer und Bohrmaschine in diese Bauwerke eindringen, Touristen schmeissen keinen Kehricht in solchem Ausmass in die Pyramide und sie pissen wohl kaum an jede Ecke in diesen Gängen und Kammern, denn der penetrante Uringestank verstärkte sich noch in der Kammer.

An der Decke mussten einige der riesigen Granitplatten mit Eisenhacken befestigt werden, die dann auch noch so schön auffallend andersfarbig sind als das Gestein selbst. Weshalb und wozu konnte ich im Moment nicht feststellen. Vermutlich jedoch befürchtet man, dass sie in absehbarer Zeit herunter zu stürzen drohen. Undenkbar! Beinahe fünftausend Jahre hielten sie allen Umständen stand, und jetzt scheint es, dass in kürzester Zeit der "Jahrtausende alte Lack" langsam abzubröckeln scheint.

Und auch hier stehen sie, die Bakshish-Heinis und machen die hohle Hand. Verdammt noch mal für was denn? Ich kann es nicht begreifen. Kurz um gesagt, ich kann es kaum beschreiben, was da in der Zwischenzeit seit meinem letzten Besuch  in dieser Pyramide vorgegangen ist.

Tief enttäuscht, deprimiert, ja sogar erschüttert begeben wir uns wieder Richtung Ausgang, wo uns Dalia empfing. Sie sah mir meine Erschütterung an und ihre Augen waren ein riesiges Fragezeichen. Noch schlimmer empfand ich dann ihren kurzen und knappen Kommentar, nachdem ich ihr meine Eindrücke und Gedanken mitteilte: Ein kurzes, bestätigendes Kopfnicken und zugleich resignierendes Bestätigen meiner Gedankengänge empfand ich in diesem Moment als niederschmetternd.

Sogar sie war bestürzt ob meines Kommentars und ich hatte fast den Eindruck, sie schämte sich für ihre Landsleute. Sie bestätigt mir jedoch ohne Wenn und Aber, dass dies nie und nimmer das Werk von Touristen ist, sondern allein das Problem der eigenen Landsleute selbst. Und die Regierung schaut tatenlos zu! Sie tat mir fast ein wenig leid, Dalia, nicht die Regierung, denn auf diese hatte ich in diesem Moment eine wahnsinnige Wut.

Panorama-Point

Trübe Sicht auf die Pyramiden aufgrund des Smogs über Kairo trugen nichts zu meiner deprimierten Laune bei .Es ist gerade mal 9.30 h und es treiben sich schon Dutzende von Kameltreibern und fliegenden Händlern auf dem Plateau herum. Und selbstverständlich sind sie aufsässig wie die Moskitos und sind aufs Heftigste bedacht, ihre Ware an die Touristen bringen. Nur Dank unseres energisches “ No tank  you ” und unter umsichtiger Mithilfe von Dalia gelingt es uns, sie uns vom Leibe zu halten.

Trotz schlechter Sicht schiessen wir einige Bilder mit den Pyramiden im Hintergrund. Ich habe das Gefühl, dass sie nicht so ausfallen werden. Die riesigen Monumente vermischten sich beinahe mit dem Smog und erweckten einen eigenartigen Eindruck. Schemenhaft sind sie gerade noch im Hintergrund erkennbar. Schuld daran sind sicher die riesigen Schadstoffe, die der "Moloch Millionenstadt Kairo" täglich ausstösst. Unvermittelt vergleiche ich dabei diese Metropole mit einer europäischen Industriestadt, die meiner Meinung nach nicht annähernd solchen Smog aufweist. Dabei wird in diesen Zentren ungleich speditiver und sinnvoller produziert, der Wohlstand ist relativ hoch und auch die Beschäftigungszahlen sind doch eher beruhigend. Hier in Kairo wird gefahren, gehupt, gehetzt und Luft verschmutzt auf Teufel komm raus, und schlussendlich resultiert ein so tristes Chaos daraus, das mit Zahlen aufwartet, die erschrecken : 35- 40 % Analphabeten, 25% Arbeitslosigkeit, offiziell 16-17 Mio Einwohner, vermutlich sind es weit über 20, keine Regierungsstelle weiss es genau. Landflucht und immer weitere Verslumung der Metropole. Im wahrsten Sinne des Wortes trübe Aussichten.

Und das Traurigste daran ist auch hier ersichtlich. Der einzige und einmalige Reichtum des Landes verfällt immer mehr und mehr, und niemand tut etwas dagegen, am wenigsten die Regierung. Immer wieder gerate ich mit Dalia in Diskussionen in Bezug zum heutigen Ägypten und ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass dem so wirklich ist, wie ich es mir denke, Dalia bestätigt mir immer wieder meine Gedankengänge.

Nur einmal machte sie uns Westeuropäern eine leisen Vorwurf, dass es so gekommen ist, in dem sie sagte: "Ihr habt viel davon angerichtet, es ist eure Schuld, dass wir in diesem Dilemma sind, Besucher, Touristen und Reisende aus dem Westen. Warum seid ihr darauf eingestiegen, immer wieder grosszügige Trinkgelder zu geben? Dass heute immer und überall "Baksisch" erheischt wird, ist doch allein aufgrund eures Verhaltens zustande gekommen!"

"Nun ja, Dalia", erwiderte ich, "ich möchte präzisieren, es waren unsere Väter und Grossväter, die das alles eingefädelt haben, und wir Nachkommen in der dritten und vierten Generation haben es nun auszubaden!" Dem war und ist tatsächlich so und dies wiederum bestätigte mir Dalia mit allem Nachdruck. Diesen Teufelskreis jedoch könnte nur eine gezielte und korrekte Staatsordnung durchbrechen, aber diese Hoffnung bleibt bei vielen westlich denkenden Ägyptern Wunschtraum, auch bei unserer Begleiterin.

Abfahrt zur Sphinx

Dieser langsame Zerfall kulturellen Reichtums muss ich leider auch wieder direkt an der Sphinx beobachten. Wohl wird da wieder mal hie und da ein bisschen an den Pfoten und/oder der Flanke dieses Tiers “ herumgepflastert ”, aber wenn es in diesem Tempo und in dieser Art so weitergeht, zerfallen den gutmütigen Ägyptern ihre traditionellen und einmaligen Artefakten unter ihren Händen. Sie schaffen es, innerhalb einer Zeitspanne von nur gerade mal 3 bis 4 Generation zu zerstören, was bisher mehr als 5000 Jahren Wind und Wetter standgehalten hat. Dalia schaut mich mit offenen Mund an und ist entsetzt ob meiner Enttäuschungen. Ob es nun Hohlräume und Kammern unter des Sphinx gibt oder nicht, wichtig würde mir erscheinen, die sichtbaren Bauwerke so gut wie möglich zu schützen und zu erhalten. Gerade an diesem Bauwerk ist ein weiterer Beweis erbracht, dass die Touristen keinen Einfluss auf den Zerfall haben. Nicht im Geringsten. Denn ihm (dem Tourist) wird gerade mal eine Besichtigung mit mindestens 20 bis 30 Meter Abstand gewährt. Und trotzdem ist es den Ägyptern scheinbar unmöglich, diese einmalige Skulptur fachgerecht zu restaurieren und für die Nachwelt in einem einigermassen intakten Zustand zu erhalten.

Ein kleiner Abstecher in ein Papyrus-Institut....................(ex)

Dies ist selbstverständlich eine obligate "Übung", an der kein Ägyptenbesucher darum herum kommt. Meiner Familie zuliebe und auf ausdrückliche Anfrage von Dalia machten wir einen Abstecher in eines der unzähligen Institute. Es war recht interessant, speziell für meine Kinder, zu sehen und wissen, wie denn echtes Papyrus hergestellt wird. Bemerkenswert ist es um hier noch zu erwähnen, dass wir jeweils bei Besuchen kalte Drinks offeriert bekamen. Von diesen  Annehmlichkeiten sollten wir noch an mehreren anderen Orten profitieren können. Es war dies das Werk von Dalia. Sie war wirklich super!

Memphis

Im Anschluss an den Besuch im Papyrus-Institut ging`s ab nach Memphis, der ehemaligen Hauptstadt Ägyptens. Eintrittsbilette wurden besorgt und wir passierten wieder einmal eine regelrechte kleinere Armee von "Sicherheitskräften" am Eingang. Dank unserer sympathischen Begleiterin liess man uns unbehelligt und ohne Gepäckkontrolle passieren, sogar die "Trinkelderheischer" hielte sich im Hintergrund. Sie vermischten sich mit den Ordnungskräften und suchten ruhige Plätzchen im Schatten von mehreren Polizeifahrzeugen auf ihren mitgebrachten Klappstühlen. Hier waren tatsächlich mehr sog. Ordnungshüter als Touristen anwesend.

Als erstes stiegen wir in das Museum hoch, in dem sich der liegende, nicht fertigerstellte Oberkörper von Ramses befindet. Eine kleinere Putzkolonne wäre hier auch wieder mal vonnöten, um den Zustand dieser Anlage wieder ein bisschen auf Vordermann zu bringen.

Beim Anblick dieses fragmentarischen Koloss kommt mir unvermittelt der Gedanke, es könnte sich um eine misslungene Arbeit handeln, die dann einfach achtlos liegengelassen wurde. Gerade die Rückseite der Statue, die ja nie fertiggestellt wurde, lässt diesen Schluss zu. Dalia äussert sich in gleicher Weise und bestätigt mir mit gleicher Schlussfolgerung meinen Gedankengang.

Und wieder einmal mehr bin ich schockiert, als ich um die Sphinx im Hofzentrum herumlief. Auch sie ist ein Werk von Damals, das immer mehr und mehr dem Zerfall gewidmet ist. Sogar Dalia muss dies bestätigen und nimmt meinen Kommentar mit Bestürzung zur Kenntnis. Zudem muss ich auch hier wieder feststellen: Schmutz und desolate Zustände, die den Pharaonen mit Bestimmtheit die Tränen in die Augen treiben würde, wenn sie dies zu Gesicht bekämen.

Und um mir das alles anzusehen habe ich Eintrittsbillette erstanden und korrekterweise bezahlt. Das ist auch gut so. Aber "verdammt" nochmal, mit welchem Recht nehmen sich hier die "Tempelwächter" heraus, an allen Ecken und Enden die hohle Hand hinzuhalten und den Touristen Bakshish abzuluchsen, für Nichts und wieder Nichts? Auch dies empfinde ich als schallende Ohrfeige an die Pharaonen, die uns solchen Reichtum hinterlassen haben. Als ich dann so um die relativ grosse Sphinx herumspazierte, in der prallen Sonne bei über 40 Grad, überkam mich mal wieder einen kleinen Schauer und bemerkte am ganzen Körper Gänsehaut. Dalia trieb es fast die Tränen in die Augen, als sie es bemerkte.

Kinder-Web-Schule

Nun denn, wir machten uns auf nach Sakkara. Unterwegs jedoch schlug uns unsere Begleiterin vor, eine typische Kinder-Webschule zu besuchen. Wenn wir es wünschen, mache sie uns gerne mit einer solchen Einrichtung bekannt. Wir sagten zu und so gab es einen erneuten Zwischenstopp, wo wir uns mit eigenen Augen von der Fingerfertigkeit der Kinder und Jugendlichen überzeugen konnten. Freundlicherweise wurde uns auch hier wieder eine willkommene Erfrischung angeboten, auf unsere ganz speziellen Wünsche wurde eingegangen, Kaffee, Tee, Limonade oder Cola standen zur Auswahl, gerade mal das, was unser Herz, resp. unsere Kehle begehrte. Dalia leistete ganze Arbeit. Ich bewunderte sie immer mehr.

Im Untergeschoss sitzen kleine Kinder von 4- 8 Jahren sowie Jugendliche von 15/16 Jahren an riesigen Webstühlen und fertigen wahre Wunderwerke. Hier war wieder der Moment des Staunens und wir konnten uns wahrlich von der Fingerfertigkeit dieser jungen Menschen überzeugen, was sie schufen. Wunderbare Teppiche mit unbeschreiblich schönen Motiven darauf, die geradezu verlocken, welche zu erwerben. Es war aber nicht das Ziel und es wurde auch nicht daraufhin spekuliert. Dalia wollte uns bloss nur einmal einen Aspekt der heutigen, ägyptischen Kultur zeigen. Zudem gab es endlich mal keine Bakschish-Jäger und die Kinder schienen grosses Vergnügen an der Arbeit zu haben. Sie alle lächelten uns zu und schienen zufrieden zu sein. Und da hatte ich das erste Mal so richtig den Eindruck, wenn diese Jugend weiter gefördert wird, so wie es uns Dalia beschrieb, dann könnte es mit dem Land aufwärts gehen. Es sind dies offizielle Webschulen die zugleich auch edukativen Unterricht in allen uns bekannten Fächern erteilt. So ist der Tag in zwei Teile gegliedert: Morgens weben, nachmittags Schulunterricht. Die Kinder verdienen nichts dabei, obwohl die Teppich zum Verkauf angeboten werden. Der Schulunterricht jedoch ist für die Kinder kostenlos. Eine gute Einrichtung, fand ich und es war hier das erste Mal, dass mich etwas begeistern konnte. So fand ich auch, dass es sinnvoll sei, mal eine ganze Serie Kugelschreiber loszuwerden die ich in grosser Menge von zu Hause mitgenommen habe. Dalia war auch begeistert davon und ermunterte uns, sie direkt an die Kinder abzugeben. Gesagt getan, Das Strahlen der Kinder legte noch einen Grad an Helligkeit zu und wir alle hatten sogar Freude daran.

Im Obergeschoss finden wir eine riesige Auswahl an fertigen Teppichen, die zum Kauf angeboten werden. Ein "Fachlehrer" oder war es ein Verkäufer, präsentierte uns fachkundig die Webart und die Materialen, aus denen diese Träume entstanden, wohlweislich davon überzeugt, dass wir keine potente Kunden sind. Das machte aber diesen Besuch auch sehenswert und das war gut so. Aber ein bisschen Stolz überkam ihn doch noch, als wir ihm anerkennend Lob für dieses Engagement zollten Mit überschwänglicher Freundlichkeit verabschiedeten wir uns.

Sakkara

Pyramide und Grabkammer des Teti

Von der "Carpet-Children-School" ging es weiter in unserem klimatisierten, ja fast luxuriösen Kleinbus zu einem weiteren wichtigen Zielpunkt unserer kurzen Reise, nach Sakkara. Auch hier klappte alles vorzüglich und ohne grosse Formalitäten gelangten wir nach einem kurzen Fussmarsch zur Pyramide, resp. Geröllhügel des Teti.

Wir steigen in die Grabkammer dieses Pharaos hinunter, jeweils unter den kritischen Augen der Wärter und wie könnte es anders sein, den "Hohle-Hand-Menschen Auch hier muss ich feststellen, dass alles mehr und mehr dem Verfall, wenn nicht sogar dem Untergang geweiht ist. Verflixt nochmal, so geht es mir durch den Kopf, sind denn dieses dämlichen Hüter von Altertum in Ägypten nicht fähig, noch Bestehendes irgendwie so gut wie möglich zu konservieren und der Nachwelt zu erhalten. Bloss eines funktioniert immer noch perfekt wie vor drei Jahren : “ Dämliche  Bakshisch-Heinis ” stehen an allen Ecken und Stellen und pöbeln mich um Trinkgeld an. Im tiefsten Innern der dem Zerfall gewidmeten Pyramide, direkt neben dem Sarkophag stehen sie und machen die hohle Hand. Dabei frage ich mich für was sie denn Piaster und Pfunds wollen. Eintrittskarten haben wir ja korrekterweise bezahlt und somit gehe ich davon aus, dass es seine Richtigkeit hat. Nun denn, mit einem bestimmten (von mehreren) Vorsatz kam ich dieses Mal hier nach Kairo: Für nichts und wieder nichts werde ich hier keinen einzigen Piaster, geschweige denn ein Pfund ausgeben. Und so hielt ich es dann auch. Da ich sowieso vor lauter Enttäuschung und Empörung angeschlagen war, fiel es mir auch nicht schwer, jegliche Anrempeleien um Bakschisch im Keime zu ersticken. ". Übrigens hat uns Dalia bereits schon zu Beginn unseres Aufenthaltes hier in Kairo darauf hingewiesen, dass auch nirgendwo auf unserer gemeinsamen Exkursion so was nötig wäre; sie hat somit nur meine Vorsätze unterstrichen und bestätigt, die ich mir im Vorfeld vorgenommen habe.

Nun denn, auch das Innere dieser Pyramide glich eher einem Luftschutzbunker denn einem Grabmal eines göttlichen Pharaonen. Bereits schon praktisch die Hälfte der eigentlichen Grabkammer ist mit Beton und Kunststeinen bepflastert und gleicht eher einer tristen Behausung aus dem modernen, verslumten Kairo aus dem Jahre 2002 als der der letzten Ruhestätte eines damals mächtigen Pharaonen. Somit sind auch immer weniger der immensen Menge von Pyramidentexten zu sehen, ob sie jedoch im Original noch existieren, ist mir nicht bekannt. Sollte tatsächlich eine kalkulierte Demontage stattfinden, werden wir in wenigen Jahren nichts mehr davon sehen, und ein Besuch dort hinein würde sich erübrigen. Es käme einem Besuch eines schweizerischen Luftschutzbunkers gleich. Ausnahmsweise kann ich hier beobachten, dass tatsächlich der Tourist doch das Seinige zum Verfall dazu beiträgt, wenn er mit verschwitzen und verschmutzen Händen über die ehemals riesigen, heute jedoch immer rarer werdenden Mengen von Hieroglyphen, sprich Pyramidentexten streicht. Und gerade da liesse sich doch mit heutiger Technologie einiges bewerkstelligen, diese gezielt zu schützen und zu erhalten.

Die Tempelartige Mastaba des Priesters unweit der Teti-Pyramide

Auch hier bietet sich uns das gleiche trostlose Bild wie überall. Nichts wird zur Erhaltung der Zeugen vergangener Zeiten getan, bloss nur arme Schlucker und korrupte Beamte stehen an allen Ecken und machen die hohle Hand. Systematisch werden ganze Steinblöcke mit riesigen Bildern mit samt ihrer Originalfarben demontiert und weiss der Teufel wohin geschafft.

Verspätetes Mittagessen unweit unseres Hotels um ca 15.00 Uhr.....(ex)

Wir fahren zurück nach Kairo und unsere Mägen rumorten in Bezug auf Lärm um die Wette mit dem Gebrumm des Motors unseres Wagens. Herzlich und freundlich wurden wir in einem typischen Restaurants empfangen und bewirtet. Kostenpunkt: Unbekannt, da alles in unserer Pauschale inbegriffen war. Beim Essen ergab sich dann natürlich noch die Gelegenheit, intensiv mit Dalai zu diskutieren, und so erfuhren wir doch noch viel Wissenswertes und Interessantes über Land und Leute. Gegen 16.00 Uhr verabschieden wir uns von ihr, nachdem wir unseren morgigen Tag geplant hatten und uns für 9.00 Uhr an der Rezeption verabredet haben.

Montag, 15. Juli 2002

Besuch der Zitadelle und der Muhammed-Ali-Moschee.............(ex)

Pünktlich um 9.00 Uhr trafen wir Dalia am Eingang des Hotels und bereits schon stand wieder unser beliebter Fahrer mit seinem herrlich klimatisierten Kleinbus zur Verfügung. Ab ging`s also quer durch die Stadt Richtung Zitadelle. Bei dieser Gelegenheit konnten wir das natürlich Treiben in den Strassen Kairos hautnah miterleben und die Erklärungen und Präzisierungen unserer Begleiterin trugen das Seinige dazu bei. Nach einer Fahrt von einer knappen halben Stunde erreichten wir die Zitadelle, deren Eingang natürlich wieder einmal von unzähligen Sicherheitsleuten bewacht wurde. Hier jedoch eigentlich verständlich, ist ein Teil der Zitadelle doch die Behausen der Polizei und Armee, so quasi eine Mannschaftskaserne.

Viele Gebäude hier auf der Zitadelle sind immer noch im gleichen Zustand wie vor drei Jahren, als man uns damals schon sagte, das heftige Erdbeben von 1992 habe vieles in Mitleidenschaft gezogen und teilweise zerstört. Schon damals sagte man uns, man sei dabei, die Schäden zu beheben und die Gebäude wieder in Stand zu stellen. Ich frage mich nur, wann man denn endlich an die Restaurierung und Reparaturen herangehen will. Nun ja, Inschallah, wenn es gut geht, vielleicht in den nächsten 50 bis 100 Jahren vielleicht. Offensichtlich ist bisher nur eines: Die Gebäude verfallen immer mehr und die auch schon vermutlich mehr als zehnjährigen Baugerüste verfallen mehr und mehr und warten vermutlich auf das nächste Beben.

Nachdem wir uns unserer Schuhe entledigt haben, treten wir in die riesige Muhamed Ali Moschee (auch Alabaster-Moschee genannt) ein. Dalia verfiel wieder ins Dozieren und versuchte uns, ein besseres Verständis zum Islam abzuringen. Selbstverständlich war es gerade zu der geeignete Ort für sie, uns dieses Wissen zu vermitteln. Geduldig liessen wir sie sprechen, natürlich auch aus Respekt zur Religion im Allgemeinen und und auch zu ihrer Einstellung dazu im speziellen. Sie war uns dankbar, dass wir dieses Verständnis aufbrachten und gab das auch offenkundig zum Ausdruck. Dabei war es gar nicht so schwierig, dieses Verständnis aufzubringen, denn unvermittelt aufgrund ihrer Ausführungen kann man feststellen, dass die Grundideen und Ideologien der verschiedenen Religionen in Ägypten gar nicht so weit auseinanderliegen.

Den Besuch auf dem "Hausberg" Kairos beschliessen wir natürlich nicht ohne noch einen Blick auf die Metropole zu werfen. Triste und trübe Aussicht wird uns beschert, der Blick hinunter auf den "Moloch" Kairo hinterlässt für mich immer noch den gleichen Eindruck wie vor drei Jahren. Es scheint so, als habe gerade ein Bombengeschwader eine Schiessübung im Tiefflug absolviert. Zudem lag alles in diffusem Licht da, obschon es erst 10 Uhr morgens ist. Nun ja, die Kinder der Millionenmetropole werden wohl nie mehr erfahren, was ein azurblauer Himmel ist und ihn vermutlich nur noch auf Bilder und Fotos sehen können.

Koptisches Quartier(altes Kairo)

Unsere weitere Fahrt führt uns in das sogenannte "alte Kairo" oder in das koptische Quartier. Wieso dieser Stadtteil so genannt wird, kann uns Dalia auch nicht sagen, befinden sich hier doch alte Heiligtümer von Juden und Kopten in unmittelbarer Nachbarschaft. Bemerkenswert jedoch ist hier, dass ein multikulturelles und ethnisches Zusammenleben ohne Probleme möglich ist, im Vergleich zum Vorderen Orient. Unsere Begleiterin selbst ist unbeschreiblich konsterniert, was dort so alles abgeht und es ist ihr völlig unverständlich, dass es solche hässliche Vorkommnisse heute noch gibt. Dabei bestätigt sie mir meine Ansicht, dass auch das Verhalten der Israelis, die direkten Nachkommen der Juden doch irgendwie das Ihrige dazu beiträgt. Die Ägypter mussten ja diese schmerzhafte Erfahrung vor knapp dreissig Jahren im Sechstage-Krieg am eigenen Leib erfahren. Und trotzdem ist heute und gerade hier ein friedliches Zusammenleben dieser so verschiedenen Kulturen und Religionen absolut möglich. Dies war wieder mal so ein kleiner Lichtblick der so tristen Welt Ägyptens. So könnten eigentlich wir und auch andere Völker doch noch einiges von den Ägyptern lernen. Ist das vielleicht auch ein Teil des Vermächtnis der ehemals florierenden Hochkultur vom Land am Nil? Braucht es dazu den von Erich von Däniken beschriebenen Zeitgeist? Ich konnte buchstäblich beobachten, wie es hintern der Stirn von Dalia arbeitete.

Nun denn, hier können wir hier den direkten Vergleich mit der pompösen Alabastermoschee anstellen. Nach einer kurzen und speditiven Eingangskontrolle durch Sicherheitskräfte befinden wir uns in der koptischen Kirche, die, gemäss Aussage von Dalia, kurz vor dem Abschluss der Renovationsarbeiten stünde. Ich muss feststellen, die Renovationen dieser vom 1992er Erdbeben in Mitleidenschaft gezogenen Kirche vermitteln ein tristes Bild. Ich dachte eher, sie vermittelt ein in arge Mitleidenschaft  gezogenes Gebäude und bedurfte einer dringenden Sanierung. Aber sie soll kurz vor Abschluss der Arbeiten stehen. Nun denn, die koptischen Ägypter scheinen bescheiden zu sein, aber sicher sind sie sehr gläubig. Dies konnten wir auch während unseres Aufenthaltes darin feststellen. Menschen aller Altersgruppen gehen ein und aus und verrichten ihre Gebete, begleitet von religiösen Gesten und Verhalten, die mich fast beschämten, mich nur als Tourist in diesen "geheiligten" vier Wänden aufzuhalten.

Erwähnenswert scheint mir noch die Krypta in dieser Kirche, dessen Niedergang sich neben dem Hauptaltar befindet. Es ist eine unter der Kirche liegender Raum, der vor zweitausend Jahren der Ort war, wo sich die "Heilige Familie" auf der Flucht nach Ägypten befand, als sie sich vor den römischen Besatzern in Sicherheit bringen musste. Leider ist sie nicht begehbar, da sie immer wieder mit Grundwasser überschwemmt wird, so auch in diesen Tagen, als wir gerne hinuntergestiegen wären.

Unser Weg im koptischen Viertel führt uns weiter zur jüdischen Synagoge. Im Gegensatz zur koptischen Kirche präsentiert sie sich als reines Bijou inmitten des tristen und “verwahrlosten” Viertels. Eigenartig finde ich es, dass es die einen können und die anderen nicht. Perfekt renoviert, strotzend vor Sauberkeit und in tadellosem Zustand präsentiert sich hier dieses religiöse Zentrum der Juden in diesem Teil Kairos. Woran liegt es bloß? Dalia kann es auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber sicher hat es doch irgendwo einen gewissen Wahrheitsgehalt, wenn man zu behaupten versucht: Die Juden sind halt doch die besseren und cleveren Geschäftsleute(?).Auf dem Weg zum Quartier hinaus spazierten wir dann noch, wie schon beim Hineingehen an unzähligen kleinen und größeren Geschäften und "Boutiquen" vorbei, die bunt vermischt von Kopten und Juden betrieben wurden. Und auch hier waren die Unterschiede offensichtlich und bemerkbar. Während die Kopten in bescheidenen Räumlichkeiten mit einem Minimum an Ausstattung ihre Waren diskret und unaufdringlich feilboten, erinnerte mich das Feilbieten und die Aufdringlichkeit der Juden in und vor pompösen Geschäften beinahe schon wieder an die aufdringlichen Händler auf dem Gizehplateau. Ergo kam ich zur Überzeugung: Der liebenswerte und gastfreundliche Ägypter hat wirklich ein gutes Herz und ist wie bereits schon erwähnt, gastfreundlich, aber nie aufdringlich.

Als wir uns wieder aus dem Koptischen Viertel in die Hektik der Großstadt begaben, kam ich nicht um die Bemerkung herum, Dalia zu erwähnen, dass ich den Eindruck hatte, ich fühlte mich dort wie in einem Ghetto, wo sich das alltägliche Leben dort und nur dort abläuft. Die Zeit dort scheint irgendwie stehen geblieben zu sein.

Ein kleiner Abstecher in den Basar

Eine kleine Erfrischung genehmigten wir in einem kleinen Bistro direkt beim Eingang. Dank der netten Begleitung von Dalia war es uns möglich, uns bereits dort schon einmal die ersten aufdringlichen Händler vom Leibe zu halten.

Wenn es gewiefte Jugendliche und Erwachsene sind, die uns allen möglichen Tand wie Schmuck, Uhren, Lederwaren und weiß der Teufel was noch andrehen möchten, geht das noch. Als jedoch ein ca 4 bis 5 jähriges Mädchen daher kommt, und uns mit traurigen Augen versucht, Papiertaschentücher anzudrehen, dann geht das schon ein bisschen unter die Haut. Wir verbrachten bloß einmal eine knappe halbe Stunde in diesem Menschengetümmel und versorgten uns mit einigen Souvenirs für uns und einige gute Freunde. Feilschen und krämern, Preisvergleiche und Qualitätsprüfung war angesagt. Unter kundiger Anleitung und nützlichen Tipps von Dalia haben wir dann doch noch von einigen Schnäppchen profitiert, und Einkäufe getätigt, die ohne sie gewiss nicht so ausgefallen wären. Es war der einzige Ort unseres dreitägigen Besuchs in Kairo wo ich froh war, endlich wieder hinauszukommen.

Nach einem kleinen Imbiss unterwegs, so gegen 15.00 Uhr treten wir unsere letzte, gemeinsame Fahrt mit Dalia zurück ins Hotel an. Wir tauschten noch gegenseitig Adresse aus und versprachen, irgendwann einmal ein paar Zeilen zu schreiben. Unvergesslich waren unsere gemeinsamen Stunden und wir waren alle überzeugt, etwas über ein wunderschönes aber trauriges Land erfahren zu haben. Dalia erhielt noch zum Abschied ein signiertes "DAMALS" von mir, das ich ihr bei einem letzten Erfrischungsgetränk in der Hotellobby übergab. Ein recht herzlicher und inniger Abschied trennte unsere Wege, nicht ohne dass wir uns gegenseitig alles Liebe und gute wünschten.

Dank Dalia wird uns Ägypten trotz allem in guter Erinnerung bleiben.

Rückfahrt durch Kairo’s Zentrum zum Flughafen (Mit Momo)

Nachdem wir uns in unserem Hotelzimmer, das uns freundlicherweise noch zur Verfügung stand, frisch gemacht haben, treffen wir uns am späten Nachmittag des Montag wieder mit Momo an der Hotelrezeption und bereiten uns auf den Rückflug nach Sharm vor.

Um ca 18.00 h fahren wir in einem klimatisierten Kleinbus los und gehen davon aus, dass wir in einer knappen halben Stunde am Flughafen eintreffen werden.

Irgendwie kam es dann ein bisschen anders und wir fuhren quer durch die Millionenmetropole. Ob dies gewollt war oder ob sich der Fahrer nur mal verfahren hatte, vermag ich nicht zu beurteilen, aber sage und schreibe anderthalb Stunden waren wir unterwegs. Dies eigentlich war dann auch viel interessanter als die stundenlange Warterei im Flughafengebäude.

Es war dann so quasi ein Zeitreise. Tausende von Eindrücken nahmen wir auf und hatten so die einmalige Gelegenheit, Kairo aus einer Sicht zu betrachten, wie sie vermutlich der Alltagstourist nie sehen wird.

Erst jetzt wurde uns wieder so richtig bewusst, in welchem Dilemma und Zustand sich das wunderbare Land befand. Schade, wirklich sehr schade, dass ein so reiches Land an Tradition in einem solchen "Schlamassel" steckt, ein Land, zu dessen Kultur und Überlieferung wir eigentlich alle Sorge tragen sollten und auf das wir stolz sein sollten. Ein Stolz, um zu sagen: "Hier sind die letzten Beweise einer Reichtums, der mit keinem Geld der Welt aufzuwerten ist.

Gegen 20.00 Uhr entschwinden wir den "geheiligten Stätten Gizeh's mit einer A 300 in Richtung Hourghada/Sharm-el-Sheikh, das so aussieht wie Hunderte und Tausende von touristischen Ferienorte auf unserm wertvollen Globus.

Zum Abschluss doch noch ein kleiner Lichtblick ?

Die ägyptische Regierung erwägt, ein Neues Museum zu bauen, noch grösser und moderner, jedoch nicht in Kairo. Man hat Alexandria oder aber Luxor in die engere Wahl gezogen. Das bestehende in Kairo wird in diesem Ausmass und Form erhalten bleiben.

Zielsetzungen jedoch sind, weitere und vor allem auch grössere Funde dann in diesem neuen Museum unterzubringen, speziell aber auch fachgerechter zu konservieren und zu erhalten. Zudem wird ein weiteres Schwergewicht auf die Erhaltung und Konservierung vorhandener Objekte und Einrichtungen gelegt. Bewusst reduziert man weitere Ausgrabungen und sog. Entdeckungen um sich diesen Zielsetzungen zu widmen, speziell auch um die Finanzierung zu gewährleisten. Wichtig jedoch erscheint mir, dass alles bisher Erforschte und Zutage geförderte nicht noch weiter verkommt und irgendwann einmal reinem, kommerziellem Denken anheimfallen wird, sondern tatsächlich für unsere Nachkommen erhalten bleibt.

Nun denn, wenn dies tatsächlich in die Wege geleitet und realisiert werden sollte, ist es sehr begrüssenswert und die gesamte nichtägyptische Welt würde dies mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Und wenn dann ein gewisser Zawi Hawass mal in einer ersten Emotion erwähnt, man müsse das ganze Gizeh-Areal mit einer mehreren meterhohen Mauer und Stacheldraht hermetisch abriegeln, dann scheint mir dies überaus verständlich, denn es ist bald einmal die letzte Möglichkeit, diese Zielsetzungen zu erreichen. Andererseits ist es jedoch völlig absurd, da dieses Projekt allein schon Millionenbeträge verschlingen würde. So konnte ich in den vergangenen Tagen auch nicht im entferntesten solche Projekt- und Ausführungsarbeiten beobachten, es sind Hirngespinste von sensationslüsternen Journalisten und Autoren.

Wenn es aber nun konkret darum geht, 5000jährige Zeugen einer untergegangenen Kultur zu erhalten, kann man vielleicht davon ausgehen, dass namhafte, westliche Geldbeträge nach Ägypten fliessen werden. Den ersten Schritt jedoch muss Ägypten selbst tun. Bis heute jedoch ist in dieser Richtung noch nicht das Geringste unternommen worden. Dalia erwähnte dies mit sehr viel Wehmut und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie dies sehr bedauert. Eines aber kann ich mit Bestimmtheit sagen: Nirgends, aber auch wirklich nirgends habe ich auch nur die geringsten Anzeichen dafür gesehen, dass mit irgendwelchen Bauwerken, seien es Mauern oder Abschrankungen, dem Zustrom von Touristen Einhalt geboten wird. Das aber jeweils eine von den drei Grossen Pyramiden in Gizeh geschlossen ist, entspricht der Tatsache. Der Grund jedoch ist mir jetzt nun klar geworden, wenn man die "widrigen Umstände" sieht, die die Altertumsverwaltung dazu veranlasst. Ganz einfach: Reinigungsarbeiten! Und das ist tatsächlich das Mindeste, das man dort tun kann, obschon man eigentlich dann auch gleichzeitig Renovations- und vor allem "Erhaltungsarbeiten" ja wirklich, "Erhaltungsarbeiten" ausführen könnte und sollte. Und wenn dies sinnvoll und effizient gemacht wäre, stünde einem Touristenstrom in grösserem Ausmasse eigentlich nichts im Wege.

Abschliessend kann ich sagen: Unser Besuch hat sich trotz allem gelohnt, ich wollte nicht, ich wäre nicht dort gewesen und beim Abschied nahm ich mir vor, bald schon wieder dorthin zu gehen, und das "etwas andere Ägypten" nochmals von einer anderen Seite zu betrachten.

10.12.2017